Aufgepasst, jetzt kommt's! Hach, Florenz und Kunst! Darüber hat noch NIEMAND geschrieben. Sarkasmus off! ;) Ein bissl anders sollt's nämlich wirklich sein: ein persönlich geprägter Kunst-Guide abseits der größten Touristenattraktionen. Denn bei den vielen Menschen (mit 4,2 Millionen Touristen im Jahr hat Florenz mehr als Einwohner) braucht man schon mal ein ruhiges Fleckchen und Kunst gibt es in dieser Stadt ohnehin an vielen Ecken. Im Folgenden also 5 interessante Kunst-Spots abseits großer Touristenpfade und die Erklärung wie es zu der Überschrift kam...
1. DIE UNTERKUNFT
Da ich zum ersten Mal in Florenz zu Besuch war, musste ein Hotel auf gut Glück her. Beim dritten Suchgang auf booking.com war es plötzlich da: ein preiswertes Guesthouse auf einem ruhigen Platz im Zentrum der Stadt. Das Relais Cavalcanti. Es befindet sich im 4. Stock des Palais Cavalcanti, dem ehemaligen Sitz der gleichnamigen Aristokraten aus dem 13. Jahrhundert und besticht durch eigentümliche, aber ansprechender Einrichtung und Zimmernummern, die nicht aus Ziffern bestehen, sondern aus Künstlernamen: von Cimabue bis Michelangelo.
Ich habe mich zeitweilig dort gefühlt wie in der Arbeit (Hashtag vacation goals), aber ich bin total inspiriert nachhause gefahren und will mir zurück in Wien selbst die ein oder andere Medizinpflanzen-Lithographie oder einen Vogel-Kupferstich zulegen...eine Kamille und einen 'Bengalischen Würger' hab ich schon in Aussicht! ;)
Die Inhaberin Anna hatte die antiken Graphiken und Möbel nach eigenen Angaben von Kunsthandwerkern fertigen lassen (Bettrücken und Kästen), aus dem Familienbesitz entnommen oder von Flohmärkten zusammengekauft...
2. FLOHMÄRKTE UND ANTIQUITÄTENLÄDEN
Die meisten Flohmärkte in Florenz finden an den Wochenenden statt. Täglich von 9:00 bis 19:30 kann man jedoch den berühmten Flohmarkt von Florenz auf der Piazza dei Ciompi besuchen - den einzigen ständigen Flohmarkt Italiens. Wegen Umbauten ist er aber verlegt worden. Er befindet sich derzeit weiter östlich, neben den Mercato S. Ambrogio auf der Piazza Lorenzo Ghiberti.
Als wir dort ankamen, war es gerade Mittag und die kleinen Stände brieten geradezu in der gleißenden Sonne. Hier war man wirklich allein und ungestört, nicht einmal die Händler selbst schienen überall anwesend zu sein. Unsere Blicke glitten über Schmuck, Vasen, Kristallluster, Bilder, Rahmen,... Möbel gefielen mir einige und am liebsten hätte ich den ein oder anderen Beistelltisch Huckepack mit nachhause genommen.
Bei den antiken Graphiken bemerkte ich, dass es sich zum Teil um einfache Nachdrucke handelte oder sie z.B. durch Stockflecken beschädigt waren. In diesem Fall ist man sicher in Geschäften, die auf antike Drucke spezialisiert sind besser beraten. Die meisten Läden für antike Graphiken befinden sich auf der anderen Seite des Arno zwischen Ponte Vecchio und Ponte Santa Trinita.
Einige Beispiele:
- Bottega delle Stampe, Borgo S. Jacopo, 56 (siehe Foto).
- Stampe d'arte libri, Borgo S. Jacopo, 68.
- La Casa Della Stampa Di Sarubbi Lorenzo, Sdrucciolo de' Pitti, 11.
- L'ippogrifo stampe d'arte, Via di Santo Spirito, 5/r.
Mit der Originalität und Qualität steigt jedoch auch der Preis. Der kolorierte Kupferstich unten im Bild, der Sternenkonstellationen zeigt, ist beispielsweise um 1.400€ zu haben. ;)
3. MUSEEN
Klassisch: Die Uffizien sind in jedem Fall einen Besuch wert! Hier ist man aber gut beraten im Vorfeld über Internet die Eintrittskarten zu reservieren. Am günstigsten kommt man immer, wenn man auf der offiziellen Website bestellt (dabei sollte man sich nicht von dem altmodischen, unübersichtlichen Design oder der Sprache irritieren lassen)!
Während ich zum Teil mit offenem Mund (es gibt ein Beweisvideo) durch die Gänge schritt und schon mal tief ins Glas schaute, auf der Suche nach dem Mini-Caravaggio im Rotwein, begab sich Leon auf Entdeckungstour nach Ugly Renaissance Babies.
Wen es aber in ein kleineres typisch florentinisches Museum zieht, dem sei ein ganz besonderes ans Herz gelegt: das Museo dell'Opificio delle pietre dure - das Museum und zugleich Restaurations-Werkstätte des berühmten "Florentiner Mosaiks". Pietra dura beschreibt die Kunst aus Plättchen harter Steinsorten ein Bild zu gestalten.
Gegründet 1588 unter Ferdinando I. de Medici ist das berühmteste Beispiel für die Arbeit dieser Werkstätte die Ausstattung der Fürstenkapelle (capella dei prinicipi). Als eine der Medici-Kapellen in der Kirche San Lorenzo ist sie vollständig mit Marmor und Halbedelsteinen ausgestattet.
Bei einer gratis Führung mit jungen Studenten durch das Museum erfuhren wir, dass die Medici später versuchten die kunstvollen "Steinbilder" auch einer breiten Masse zu verkaufen. Da zu wenige Abnehmer, weil zu teuer, fertige man diese Bilder ab sofort auch mit Stuckmarmor (die Einlegearbeit mit Stuckmarmor nennt man Scagliola). Könnt ihr das glauben? Die Hafen- und Blumenbilder sind mit Stuckmarmor-Masse gefertigt:
4. DER HEILIGE GEORG VON OR SAN MICHELE
Habt ihr schon mal von Paragone gehört?
Paragone beschreibt in der Kunstwissenschaft den "Wettstreit" zwischen den Kunstgattungen. Zugespitzt hat sich das "Wettrüsten" der Künste in der Neuzeit zwischen den Gattungen Malerei und Bildhauerei. Es bildeten sich damals zwei Lager: Team Malerei und Team Bildhauerei. Leonardo da Vinci z.B. war eindeutig im Team Malerei. Vertreter jeder Richtung versuchten den jeweils anderen mit Traktaten zu überzeugen und mit ihrem künstlerischen Schaffen an Wirklichkeitsnähe zu übertreffen. Die einen argumentierten - kurz gesagt - mit der plastischen Körperlichkeit von Skulpturen, die anderen hoben die optische Tiefenräumlichkeit in der Malerei mittels Perspektive hervor.
Einer hat es zum ersten Mal geschafft beides zu verbinden! Donatello. Der Florentiner Künstler hat in seiner Heimatstadt an einer Nische der Kirche Or San Michele (früher ein Kornspeicher) ca. 1416-1417 ein Relief angebracht, welches malerische Qualitäten und sogar Perspektive aufweist! Dargestellt ist der Kampf des Hl. Georgs mit dem Drachen, platziert unter der antikisierten Nischenfigur des Hl. Georg - ebenfalls von Donatello gefertigt.
So manch einer würde sein Relief als "unfertig" bezeichnen, andere sehen darin wiederum die Innovation und den Mut ein bildhauerisches Werk durch feine Abstufungen "wie gemalt" aussehen zu lassen. Da es dadurch ein wenig "eingedrückt" oder "zerquetscht" wirkt, wird es auch rilievo schiacciato genannt.
Wenn in Florenz, sucht den ehemaligen Kornspeicher auf, umrundet ihn, vergleicht die Figuren miteinander und haltet Ausschau nach dem Kunstwerk, das dem Paragone ein Schnippchen geschlagen hat. Ich verspreche euch, dort seid ihr ungestört! ;)
5. DER STERNENHIMMEL VOM 4. JULI 1442
Einer der Hauptgründe für mich nach Florenz zu fahren war ja: Giuliano d'Arrigos (genannt "Il Pesello") Darstellung der Sternenkonstellation vom exakt 4. Juli 1442. Ein Datum, an das man sich offensichtlich erinnern wollte und mit dem Staatsbesuch René d'Anjous zusammenfällt.
Ihr erinnert euch vielleicht an diesen Blogartikel, wo meine Faszination für Sternbilder durch die Bildbetrachtung wieder geweckt wurde. Es handelt sich um eine der ersten großformatigen Gemälde eines Himmels und spiegelt das damals wachsende Interesse in Astronomie wider. Es ist möglicherweise in Zusammenarbeit mit dem Astronomen und Mathematiker Paolo dal Pozzo Toscanelli entstanden. 2x in Florenz.
Einmal in der von Brunelleschi entworfenen Alten Sakristei direkt in der Kirche San Lorenzo, in einem Nebenraum links vom Altar. In gutem (restauriertem?!) Zustand zu besichtigen mit einem Ticket für San Lorenzo (Kirche und Kreuzgang). Eintritt € 6 "because it's a monumental church", wie uns die Dame am Eingang in Roboterstimme erklärte. Wie oft pro Tag sie den Satz wohl sagen muss?
Und einmal in der ebenfalls von Brunelleschi geplanten Capella Pazzi, außen an der Kirche Santa Croce. Das Fresko, welches wenig später entstanden ist, ist heute leider nur noch schlecht erhalten. Anzuschauen mit einem Ticket für Santa Croce für € 9 p.P.
Ich schreibe das so genau weil die kleinen, blauen Kuppel nicht leicht zu finden waren. Wie eine Schatzsuche!
Im Internet findet man nur wenige und im Reiseführer, sowie vor Ort keine direkten Informationen für die Gemälde. Ein Geheim-Tipp?!
Hier nochmal Pesellos Sternenhimmel in der Alten Sakristei in San Lorenzo... (jedes Sternbild im Detail findet ihr hier.)
Während ich übernatürliche Kräfte entwickeln kann, wenn mich etwas interessiert und ich die Führung übernehmen darf, brauchen fotografierende Begleitpersonen verständlicherweise auch mal eine Pause. Als ich im Museum von Santa Croce von Bild zu Bild schwirrte, war Leon plötzlich verschwunden. Ich schaute mich um und fand ich ihn ganz alleine und erschöpft vorne in einer Kapelle sitzen - nicht um zu beten, sondern um zu rasten. Sophie führt und Leon schwächelt ist eigentlich der Titel eines Artikels über Babynamen, den ich bei der Namenssuche für den Blog vor langem zufälligerweise entdeckt habe und nun endlich einbauen kann! :D :*
Ich bin keine Reisebloggerin, aber wenn eine Reise thematisch hier her passt oder sich eine Verbindung mit Kunst ergibt, schreibe ich auch mal darüber – wie schon bei Marokko und Belgien. :)
Wo zieht es euch auf eurer nächsten Reise hin?
Egal ob Reise oder nicht, ich wünsche euch jedenfalls eine schöne Sommerzeit!
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leni (Donnerstag, 13 Juli 2017 23:59)
Danke für die interessanten Ausführungen. ☺
Sophie (Mittwoch, 19 Juli 2017 22:29)
Gern! :-D Hoffe es war was dabei?!
Papschn (Freitag, 28 Juli 2017 14:00)
Deinen Ausführungen zufolge ist Florenz wirklich eine Reise wert. Leon scheint doch sehr interessiert. Er betrachtet das Kunstwerk immer wieder. :)
Sophie (Montag, 21 August 2017 12:16)
Ja, das stimmt! Es ist ja ein bisschen überspitzt formuliert. Vielleicht hat er auch wirklich gebetet?! ;D